Konservative Ökologie, das bedeutet: Bewahrung der Substanz.

In der Erstausgabe der Scheidewege schrieb ihr damaliger Herausgeber Friedrich Georg Jünger, kulturkritischer Philosoph und Ernst Jüngers jüngerer Bruder, in den einleitenden Worten: »Wer dort steht, wo die Wege sich gabeln, kreuzen, der steht am Scheideweg. […] Er muß beschließen, was er hinter sich lassen will, muß sich zu dem entschließen, was auf ihn zukommt. Er kann den richtigen, den rechten Weg wählen, kann sich verirren oder in eine Sackgasse geraten.«

1971, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten Scheidewege, stand der Konservatismus vor einer ebensolchen Weggabelung. Mit den Begrifflichkeiten Jüngers gefaßt, bewegte er sich seit geraumer Zeit in eine Richtung, die ihn fort von der Substanz und hin zur Kraft führte. »Kraft benötigt die Substanz und weiß sie sich zu verschaffen, indem sie sie in ihre Speicher überführt und in verfügbare Energie wandelt.« Um diese von Jünger beschriebene Bewegung greifbarer zu machen: Substanz und Kraft werden von ihm als Gegensatz zwischen Eigentum (Substanz) und Kapital (Kraft) verdeutlicht. »Der Kraftbegriff wendet sich gegen den Substanzbegriff, gegen die Substanz des Eigentums und löst sie auf.« Eindeutig war der Entschluß des Konservatismus für den Pfad der Auflösung keineswegs.

Fällt es teils schon bei Einzelpersonen schwer, Eindeutigkeiten der Entscheidungsfindung zu bestimmen, so wird es bei diffusen Gruppenkonstellationen, die sich um eine Geistesströmung herum konstituieren, noch diffiziler. Anfang der 1970er Jahre stand nicht fest, welchen Weg der Konservatismus endgültig einschlagen würde, obgleich die Schlagseite zumindest aus der Retrospektive eindeutig ist. Welche widerstreitenden Bestrebungen zum damaligen Zeitpunkt im deutschen Konservatismus existierten, macht ein Aufsatz Armin Mohlers in der Zeitschrift Criticón aus dem Jahr 1977 deutlich, in dem er hinter den »honorigen Herren« der Scheidewege Gestalten (u.a. linke Revoluzzer) auftauchen sah, die man schon von ganz anderen Schauplätzen her kenne.

Mohler, der ökologischen Frage auch in diesem Aufsatz durchaus zugetan, stellte darin das ökologische Anliegen in einen relativierenden Zusammenhang – als Vorsitzender der Carl Friedrich von Siemens Stiftung war er um die Breitenwirksamkeit rechter Ansätze beziehungsweise um deren stärkere Einbindung in das bundesrepublikanische Establishment bemüht. Damit zeichnete er jedoch einen Weg vor, der schlußendlich zum Verlust führen sollte. Ebenjene von Mohler beschönigte hadernde Position, aber auch der unmittelbare Wille mancher konservativen Kreise zur Anbiederung an die vernutzende Kräftemobilisierung des Fortschritts führten zur Entfremdung eines zuvor wesentlich aufeinander bezogenen Paars: Konservatismus und Ökologie trennten sich.

Doch wie Jünger 1971 richtig festhielt: »Auch die Sackgasse ist ein Weg, und die Umkehr auf ihr ist auch einer.« Konservative Ökologie, das bedeutet: Bewahrung der Substanz. Und selten waren der Substanzverlust und die Not seiner Aufhaltung größer als heute.


 

Unsere 13. Ausgabe beschäftigt sich eingehend mit der Frage, wie die Bewahrung der Substanz und ökologische Ansätze miteinander verschränkt sind. Hier können Sie das Heft erwerben:

 

 

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Die Kehre ist eine Zeitschrift, die die Ökologie aus einer grundsätzlichen Perspektive betrachtet. Jedes Jahr erscheinen vier Ausgaben, die mal mehr, mal weniger thematisch gebunden sind.

geb. 1989, ist Chefredakteur der Zeitschrift »Die Kehre«. Studium der Politkwissenschaft sowie der Soziologie und Sozialforschung (M.A.).

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