Das Märchenland ist stinksauer« lautet einer der Protestsprüche des Vereins Pro Märchenland e.V. Auf dem dazugehörigen Banner sind Figuren wie Dornröschen und Rotkäppchen mit wütenden Gesichtern abgebildet. [1] Es geht um den berühmten Reinhardswald in Nordhessen (Landkreis Kassel), der auch als Gebrüder-Grimm-Wald oder Märchenwald bekannt ist. Jacob und Wilhelm Grimm lebten und arbeiteten viele Jahre lang in Kassel, daher der Namensbezug. Der Wald, den sie vor Augen hatten, wenn Rotkäppchen seine Großmutter besucht, war sicherlich der Reinhardswald.

CDU und Grüne planen einen Windpark

Der Reinhardswald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Hessens und ein wesentlicher Teil der deutschen Mittelgebirge. Es gibt dort jahrhundertealte Baumbestände (hauptsächlich Buchen und Eichen) und viele geschützte Tierarten. Schon seit mehreren Jahren plant die schwarz-grüne Landesregierung, große Teile dieses einzigartigen Naturschutzgebietes in ein Industriegebiet für Windkraftanlagen umzuwandeln. Im Laufe dieses Sommers könnte sich nun entscheiden, ob und wann die Pläne in die Tat umgesetzt werden.

»Insgesamt sind etwa 2000 Hektar (= 20 Millionen m²) im tausendjährigen Reinhardswald für die Bebauung mit Windanlagen ausgewiesen worden. Der massive Widerstand der betroffenen Bürger wird von der Landesregierung ignoriert. Die Natur Aller fällt der Profitgier Einzelner zum Opfer. Die ersten 20 Anlagen in bisher kaum da gewesener Größe sind konkret geplant, das Genehmigungsverfahren hat begonnen.«

Pro Märchenland e.V. (2020): Hauptseite, https://rettet-den-reinhardswald.de.
Abb. 01: Hainbuchen im Naturschutzgebiet »Urwald Sababurg« im Reinhardswald (Photo: Heinz Mathis/CC-BY-SA-4.0)

Der Bau der Anlagen könnte bereits im Oktober 2020 beginnen, die Inbetriebnahme ist für 2022 geplant. Sobald die Genehmigung erteilt ist, soll alles Schlag auf Schlag gehen, wenn es nach der Windpark Reinhardswald GmbH geht. Das Durchsetzen und das Errichten der ersten Anlagen ist für die Windkraft-Lobby dabei besonders wichtig. Denn sind diese erst einmal gebaut, gilt das Waldgebiet als vorgeschädigt – die rechtlichen Hürden für die Genehmigung weiterer Anlagen wären dann niedriger.

Eine ökologische Katastrophe

Abseits der medialen Aufmerksamkeit, deren Lieblingsthema bekanntlich das »Klima« und weniger die Natur ist, bahnt sich hier eine ökologische Katastrophe an. Aus mehreren Gründen richten Windkraftanlagen in Wäldern besonders große Schäden an: Breite Schneisen müssen geschlagen werden, das macht den Wald zum Beispiel anfälliger für Sturmschäden und Austrocknung; tausende Kubikmeter Beton werden in den Waldboden gepreßt, was zu Langzeitschäden für die gesamte Umgebung führt und sogar Wasseradern durchtrennen kann; die Anlagen befinden sich in unmittelbarer Nähe zu vielen Tieren und gefährden deren Lebensgrundlage; Vögel wie der Rotmilan, dessen Bestände bereits jetzt gefährdet sind, werden regelmäßig von den Rotorblättern erschlagen; und schließlich führen Windräder zu einer enorm steigenden Waldbrandgefahr (aufgrund von Kurzschlüssen oder Blitzeinschlägen kommt es bei einzelnen Anlagen immer wieder zu gefährlichen Bränden). Naturschützer gehen deshalb gegen das Vorhaben von CDU und Grünen auf die Barrikaden.

Abb. 02: Blick auf den Reinhardswald vom Hühnerfeldberg (Photo: Michael Paetzold, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de)

Auffällig ist, daß die drohende Zerstörung des Reinhardswaldes in den etablierten Medien bisher – wenn überhaupt – nur als regionales Thema behandelt wird (lobenswerte Ausnahme: »Frontal 21« vom 24. Juli 2018 im ZDF). Ganz anders fiel die Berichterstattung über die Proteste im Hambacher Forst vor zwei Jahren aus. Das Thema war auf allen Kanälen fast dauerpräsent und wurde von mehreren namhaften Politikern dazu genutzt, sich für »Klimaschutz« publikumswirksam in Szene zu setzen. Das paßte in das offizielle Narrativ, weil sich die Proteste gegen den Kohleabbau und damit gegen die Nutzung konventioneller Energieträger richteten. Im Falle des Reinhardswaldes geht es politisch hingegen um die Durchsetzung der Regierungsagenda »Energiewende«, die eng mit den Interessen der Erneuerbare-Energien-Industrie verknüpft ist, die wiederum beste Beziehungen zur etablierten Politik pflegt. Die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) formulierte es so: »Windenergie ist sehr wichtig für den Klimaschutz, weil wir die Energiewende schaffen müssen.« [2]

Mit anderen Worten: Die Pläne sind richtig, weil wir das ideologisch so festgelegt haben, Kritik nicht erwünscht. Sollte das Regierungspräsidium Kassel als zuständige Behörde in den nächsten Wochen grünes Licht für den Bau des neuen Windparks geben, folgt eine vierwöchige Offenlegung der Planungsunterlagen. Die Bürgerinitiative »Rettet den Reinhardswald«  schreibt dazu:

»In dieser Zeit kann jeder online auf den Seiten des Regierungspräsidiums oder auch in den Gemeinden vor Ort am Reinhardswald die Planungsunterlagen ansehen und auf weitere Details oder auch Mängel prüfen. In einer weiteren vierwöchigen Frist besteht dann für alle die Möglichkeit, eine schriftliche Stellungnahme zum Vorhaben der Reinhardswaldbebauung mit den ersten 20 Windanlagen abzugeben. Dabei geht es um jede einzelne Anlage. Von dieser Möglichkeit sollten wir alle unbedingt Gebrauch machen – selbst wenn man nur seine begründete, subjektive Ansicht zu den Planungen mitteilen will.« [3]

Wer sich für die Erhaltung dieses sowohl in kultureller wie auch in ökologischer Hinsicht so wertvollen Waldes interessiert, kann sich also auf dem Weg der Bürgerbeteiligung einbringen. Rotkäppchen und Dornröschen begrüßen das ganz sicher.

[1] Pro Märchenland e.V. (2020): Es geht wieder weiter – Banner-Flächen gesucht, https://rettet-den-reinhardswald.de/2020/05/07/es-geht-wieder-weiter-banner-flaechen-gesucht/, Zugriff am 7. Juni 2020.

[2] ZDF (2018): Frontal 21: https://www.youtube.com/watch?v=fO0W_UcYiNw, Zugriff am 7. Juni 2020.

[3] Pro Märchenland e.V. (2020): Schon wieder mittendrin, https://rettet-den-reinhardswald.de/2020/03/11/schon-wieder-mittendrin/, Zugriff am 7. Juni 2020.

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2 Comments

  1. Andreas Hörnlein 9. Juni 2020 um 17:59 - Antworten

    Beim Hambacher Forst ging es den grünen Spinner wie so oft lediglich darum, ihre weltfremde Ideologie durchzupeitschen. Ihre Heuchelei wird besonders dann deutlich, wenn sich betrachtet wer meistens die Initiatoren von Waldrodungen sind: Beim Hambacher Forst ist es die teuflische,bösartige RWE(Ironie), beim Reinhardswald die mittlerweile hart backbard segelnde CDU und ihre Grün-Ideologen von Bündnis ´90.

  2. Helmut und Rita Wichmann 29. Juli 2020 um 16:30 - Antworten

    Ich frage mich immer wieder, wer hat diese Politiker eigentlich gewählt, die unsere Natur und Kultur zerstören? Nehmt Einfluss auf sie und sagt denen, dass sie nicht wiedergewählt werden, wenn sie diesen Wahnsinn nicht sofort beenden. Das ist das einzige Druckmittel, das die verstehen.
    Für uns ist es unverständlich, dass der Reinhardswald mit seinen uralten Bäumen, eine Landschaft, die einzigartig in Europa ist, einer politischen Ideologie geopfert wird.

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