»Nachhaltigkeit« – alles und jeder schmückt sich heute mit diesem Wort. Wenn es einen Begriff gibt, bei dem von vornherein feststeht, daß er in der neuesten Marketingstrategie eines Unternehmens auftauchen muß, dann ist es die »Nachhaltigkeit«. Alles ist grün, ökologisch, umweltfreundlich und Teil einer Kreislaufwirtschaft; zumindest dann, wenn man den Werbesprüchen der PR-Agenturen Glauben schenkt. Die umweltpolitisch bewegte Konsumgesellschaft will ihr grünes Gewissen beruhigen und ihren Beitrag zur Umweltrettung per nachhaltigem Kaufverhalten leisten.

Die Industrie füttert und stillt dieses Bedürfnis – Produkte, deren (überflüssige) Existenz zusätzliche Umweltbelastungen bedeuten, werden nachträglich mit eigens dafür geschaffener Zertifizierung zur Nachhaltigkeit aufetikettiert. Der aluminiumintensive Kapselkaffee Nespresso des Schweizer Lebensmittelriesen Nestlé kann als ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Anwendung dieser Strategie gelten. Greenwashing (auf Deutsch soviel wie »Grünwaschen«) dominiert die Markenwelt von heute.

Das Einfallstor für diese Entwicklung öffnete die Wiederentdeckung des forstwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsbegriffs Ende der 1980er Jahre und seine wachstumsorientierte Aufladung jedoch selbst. Wer meint, die Umweltprobleme der Industrie- und Konsumgesellschaften über den Markt lösen zu können, der bekommt schlußendlich auch Marktlogiken wie Nachfragesteigerung qua ökologischer Aufladung geliefert. »Nachhaltige Entwicklung« bedeutet in dieser über die Institutionen der Vereinten Nationen etablierten Definition eine Ökologisierung der Bedürfnisse und »eine neue Ära ökonomischen Wachstums«.

Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, daß Ölkonzerne wie British Petroleum (BP) oder Shell ganz unironisch »Nachhaltigkeitsberichte« für jedes Geschäftsjahr verfassen, in denen sie sich an die Spitze der Nachhaltigkeitsbewegung stellen. BP-Geschäftsführer Bernard Looney sieht dabei im aktuellen BP-Nachhaltigkeitsbericht 2019 seine Firma als Vorreiter, die »wachsende Nachfrage für sauberere Energie« zu stillen. Der von 2000 bis Ende 2005 amtierende Vizepräsident von BP Europe, Michel de Fabiani, hatte sogar den Schneid, in seinem Rechenschaftsbericht anläßlich des 4. Parlamentarischen Treffens zur Energie in Frankreich zu behaupten:

»Nachhaltige Entwicklung bedeutet zuallererst, mehr Energie zu erzeugen, mehr Erdöl, mehr Erdgas, vielleicht mehr Kohle und Kernkraft, und sicherlich mehr erneuerbare Energien«.

Ungeachtet dessen, daß der Nachhaltigkeitsbegriff somit zur Leerformel und zum Marketingvehikel verkommen ist, lohnt sich ein Blick auf seinen genuinen Gehalt. Wo liegt sein Ursprung? Welche Auffassung von Ökologie und Wirtschaften liegt ihm zugrunde? Ist er überhaupt mit einer Industrie- und Konsumgesellschaft in Einklang zu bringen? Kann moderne Technologie nachhaltig sein und gibt es politische Konzepte, die »Nachhaltigkeit« in ihrer strikteren Form anstreben umzusetzen? Das zweite Heft der Kehre steht ganz im Zeichen dieser Fragen.

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Die Kehre ist eine Zeitschrift, die die Ökologie aus einer grundsätzlichen Perspektive betrachtet. Jedes Jahr erscheinen vier Ausgaben, die mal mehr, mal weniger thematisch gebunden sind.

geb. 1989, ist Chefredakteur der Zeitschrift »Die Kehre«. Studium der Politkwissenschaft sowie der Soziologie und Sozialforschung (M.A.).

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