Bereits im November letzten Jahres veröffentlichte die »Swedish University of Agricultural Science« (SLU) eine Studie, die sich mit den Ernteerträgen von Kulturgetreidesorten und modernen Sorten im Jahr 2018 auseinandersetzt. Die Studie ist hier frei einsehbar, jedoch nur in schwedischer Sprache.[1]

Um den Vergleich der Trockentoleranzen von Kultur- und modernen Sorten vorzunehmen, wurden Befragungen mit Landwirten durchgeführt, ohne allerdings das Ziel der Untersuchung zu nennen.[2] Der Fragenkatalog umfaßte u.a. folgende Fragen:

  • welche Sorten in welchem Umfang angebaut wurden,
  • wie lange die Sorte im Betrieb angebaut wird,
  • Zeitpunkt der Aussaat,
  • Boden- und Wetterbedingungen des Standortes,
  • Erträge in 2018 im Vergleich zu »normalen« Jahren,
  • Düngung,
  • Fruchtfolge.

52 Befragungen waren für die Studie als tauglich eingestuft worden. Die befragten Landwirte bewirtschaften alle nach ökologischen Anbauprinzipien in Südschweden. Außerdem wurden Literaturrecherchen zu den Kultursorten und deren Eigenschaften durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk wurde hier auf Literatur gelegt, die über ähnliche Jahresverläufe mit Dürresommern zu berichten weiß.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Kultursorten weisen die stabileren Ernteerträge in Dürrejahren auf.
  2. Doch auch Kultursorten bleiben von Mindererträgen nicht verschont; sie fallen nur geringer aus.
  3. »Kultursorten« ist nur ein Begriff, unter dem eine Vielzahl von Getreidesorten, sogar unterschiedliche Arten, subsummiert werden. Dementsprechend unterscheiden sich die »Kultursorten« auch untereinander sehr stark.
Schwarzer Emmer, eine heute in Europa kaum mehr angebaute Getreideart.

Unter Punkt 3.1.1 (Seite 13) wird berichtet, daß »fast die Hälfte (47 Prozent) der Kultursorten im trockenen Jahr 2018 eine ›normale Ernte‹ erbrachten, verglichen mit nur knapp einem Fünftel (17 Prozent) der normalen Ernte für die modernen Sorten«. Zwar weisen die Kultursorten eine höhere Trockentoleranz auf, doch trockenresistent sind auch sie nicht, da »mehr als die Hälfte der Sorten niedrigere Erntemengen als die ›normale Ernte‹ erbrachten«. Jedoch wird später unter Punkt 4.1 (Seite 24) ausgeführt, daß die Kultursorten des Sommer- und Winterweizen »mit hoher statistischer Sicherheit« bessere Ernten erzielen als die modernen Sorten.

Genaue Zahlen finden sich unter Punkt 3.1.2 (Seite 13 ff.). Dort sind für jede Getreideart, bspw. Sommerweizen, Winterroggen oder Gerste, jeweils für Kultur- und moderne Sorten Diagramme gegeben, die über die Ernteverluste im Vergleich zu einem ›normalen‹ Jahr Auskunft geben. Für den Sommerweizen konnte folgendes ermittelt werden: Von den Kultursorten hatten rund ein Drittel einen Ernteverlust von bis zu 20 Prozent im Vergleich zu anderen Jahren, während bei modernen Sorten der Großteil (fast 50 Prozent) Erntemindermengen von 41-60 Prozent zu beklagen hatte. Kurz: Beim Sommerweizen sind die Ernteausfälle von modernen Sorten im Sommer 2018 höher ausgefallen als bei Kultursorten.

Kultursorten als Zukunftsalternativen ?

Die Ergebnisse der Studie dürften die meisten Leser hier wohl nicht verwundern. Nochmal hervorgehoben sei, daß nur Betriebe untersucht wurden, die nach BIO-Standards arbeiten, eine genauere Beschreibung fehlt jedoch. Man darf annehmen, daß damit zumindest eine Abgrenzung zu »konventionellen« Landwirten gemeint ist. Warum also nur BIO-Betriebe? Das hat wiederum zwei Gründe:

  1. Es sind vorrangig ökologisch wirtschaftende Betriebe, die Kultursorten anbauen, denn der Verzicht auf mineralische Dünger und Pflanzenschutzmittel zwingt zu Alternativen. So werden Unkräuter bei Kultursorten durch die viel längeren Stängel und nicht durch chemische Mittel unterdrückt.
  2. Es gibt keine Mineraldüngergaben, die in der konventionellen Landwirtschaft mit ihren modernen Hybridsorten mittlerweile unumgänglich sind. Gerade in Jahren mit Extremwetterereignissen wie 2018 zeigt sich aber die Beständigkeit gewachsener Kultursorten. Diese sind nämlich an bestimmte Standorte, bestimmte Bodentypen und örtliche klimatische Bedingungen über Jahrzehnte angepaßt worden. Bei modernen Hybridsorten handelt es sich jedoch um jährlich neue Samen, die nur unter Schlaraffenlandbedingungen Höchsterträge erbringen.

Das ist der entscheidende Punkt. In ihrer genetischen Ausstattung sind die einzelnen Pflanzen der modernen (Hybrid-)Sorten so homogen, daß nur ein kleiner Teil mit Änderungen umgehen kann bzw. alle Getreidepflanzen einen großen Leistungsabfall aufweisen. Kultursorten hingegen sind sehr heterogen, gerade bei Getreiden läßt die äußere Erscheinung so etwas nicht gleich vermuten, aber der Genotyp spricht eine andere Sprache. In dieser Hinsicht sind Kulturgetreide mit gewachsenen (Ur-)Wäldern vergleichbar. Es gibt innerhalb der »Populationen« eine große Varianz, eine breite Spannweite um einen Mittelwert, welche mit Abweichungen von optimalen Bedingungen besser umgehen kann.

Der Roggen prägte Mittel- und Nordeuropäische Felder für Jahrhunderte.

Auch wenn es sich bei den modernen Sorten der BIO-Betriebe um »ökologische« Sorten handelt, sind diese eher mit konventionellen als mit Kultursorten vergleichbar. Denn auch bei modernen Biogetreidesorten gilt, daß diese zum Großteil unter konventionellen Bedingungen gezüchtet und nur unter ökologischen Bedingungen vermehrt werden. Jährliche Getreidesamenkäufe sind somit auch im ökologischen Bereich keine Seltenheit mehr. 

Was letztlich geschieht, ist auch bei Kulturpflanzen nichts anderes als ein Artenschwund – ein Rückgang genetischer Vielfalt. Gleichzeitig geht das Wissen über Merkmale und Besonderheiten vieler in der heutigen Zeit nicht angebauten Kultursorten verloren. Da hilft auch die Aufbewahrung von Samen in Genbanken recht wenig.

[1] Karin Gerhardt, Dylan Wallman, Weronika Axelsson Linkowski: „Äldre sorters spannmål och extremvädret 2018 – hur gick det?“, in: SLU Future Food Reports 8 (2019), https://www.slu.se/globalassets/ew/org/centrb/fu-food/publikationer/future-food-reports/aldre-sorters-spannmal-ff8-web.pdf

[2] Als Kultursorten gelten hier Landsorten, also jene, die sich über Generationen auf Feldern entwickelt haben und nicht in Laboren gezüchtet wurden.

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Die Kehre ist eine Zeitschrift, die die Ökologie aus einer grundsätzlichen Perspektive betrachtet. Jedes Jahr erscheinen vier Ausgaben, die mal mehr, mal weniger thematisch gebunden sind.

Autor: Max Schmid

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