Die Kehre ist mehr als eine Zeitschrift. Sie versteht sich als Ansatz einer alternativen Moderne. Die Bewahrung von Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, Haus und Hof ist eine Aufgabe, die vor allem im Alltag umzusetzen ist. Deshalb haben wir mit dem X-Nutzer Blackmarsh Homestead über sein Hofprojekt gesprochen.


Grüßt euch und vielen Dank, daß ihr euch Zeit für das Interview nehmt. Stellt euch doch bitte unseren Lesern zunächst vor. Wer seid ihr und woher kommt ihr?

Hallo und vielen Dank, dass ihr mit uns Kontakt aufgenommen habt. Wir sind Marija und Felip Sever aus Kroatien.

Könnt ihr Euer Hofprojekt etwas genauer beschreiben? In welcher Landschaft liegt euer Hof, welche Tiere haltet ihr, welche Pflanzen baut ihr an und und wie lange existiert euer Projekt schon?

Unser Hof liegt in der Tiefebene von Turopolje – was Ebene der Auerochsen bedeutet – in den Auen des Flusses Save. Wir sind vor zwei Jahren hierhergezogen. Wir halten Schafe, Rinder, Kaninchen, Bienen, Hühner, Enten und Pfauen und haben einen Hund und eine Katze. Wir denken auch über die Anschaffung von Gänsen nach. Wir bauen eine große Vielfalt an Pflanzen an, wobei unser Schwerpunkt auf kalorienreichen Pflanzen wie Kartoffeln und Mais sowie auf dem Pflanzen (und Ausdünnen) von Bäumen liegt, um Waldweiden zu schaffen.

In den letzten Jahren kamen immer mehr Begriffe auf, um sich von der herkömmlichen industriellen Landwirtschaft abzugrenzen: Grass-fed beef, syntropische Landwirtschaft, Agroforst oder Permakultur sind einige davon. Setzt ihr etwas davon um oder verzichtet ihr auf Begriffe und orientiert euch einfach an den Gegebenheiten eures Bodens?

Man könnte unseren Ansatz als »Low-Tech-Landwirtschaft« bezeichnen. Die Idee dahinter ist, durch Aneignung und Verbesserung von Fähigkeiten autark zu werden, ohne auf moderne Technologie angewiesen zu sein. Wir wollen unsere Grundbedürfnisse decken und mit dem heute üblichen Einsatz von Technik würde dies unweigerlich zu einem Verlust an Autonomie und möglicherweise sogar an Ernährungssicherheit führen.

Wie viele Hektar bewirtschaftet ihr? Dient euer Projekt allein der Selbstversorgung oder verkauft ihr auch Produkte?

Bisher bewirtschaften wir nur sechs Hektar, planen jedoch, unseren Hof zu vergrößern. Um Ernährungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig autark zu sein, muß man ständig mehr produzieren, als man braucht. Daraus ergibt sich automatisch der Verkauf von Überschüssen, der wichtig ist.

Wer hat euch zu diesem Hofprojekt inspiriert? Gibt es Personen oder Bücher, die euch maßgeblich geprägt haben?

Nein, das ist nicht der Fall. Um ehrlich zu sein, einer der Gründe, warum wir uns für dieses Leben entschieden haben, ist die Tatsache, daß wir nicht sehr kontaktfreudig sind. Ich bin mit dem Hüten von Ziegen und Schafen aufgewachsen, daher hatte ich eine grundlegende Vorstellung davon, wie dieses Leben aussehen würde, und ich wußte, daß das Ziel erreichbar war.

Die Bücher und Online-Artikel, die wir am wertvollsten finden, sind die über Low-Tech, traditionelle Landwirtschaft sowie antike Anthropologie und Archäologie. Aber nicht falsch verstehen – wir sind keine Primitivisten. Wir haben nichts gegen moderne Technologien und nutzen einige davon gerne. Wir wollen nur zum Überleben nicht auf moderne Technologie angewiesen sein.

Welche Pläne habt ihr für die nächsten Jahre?

Im Moment ist unser Plan, ab dem ersten Sommertag keine Lebensmittel mehr zu kaufen (auch kein Tierfutter) und zu sehen, wie lange wir das durchhalten können.

Unser langfristiges Ziel ist es, diesen Hof in das silvopastorale Paradies zu verwandeln, das wir in unseren Köpfen sehen, und in so vielen Bereichen wie möglich autark zu werden. Meine Frau näht zum Beispiel schon Kleidung aus der Wolle unserer Schafe, und ich arbeite immer mehr mit dem Holz der Bäume, die auf unserem Hof wachsen.

Gibt es etwas, das ihr rückblickend betrachtet anders machen würdet, wenn Ihr noch einmal von vorn anfangen könntet?

Natürlich haben wir nicht alles richtig gemacht. Aber ich kann sagen, daß ich die Fehler, die wir gemacht haben, nicht bereue. Aus Fehlern lernt man.

Was würdet ihr an der derzeitigen Agrarpolitik ändern, wenn ihr die Möglichkeit dazu hättet? Welche drei Maßnahmen würdet ihr als erstes umsetzen?

Angesichts meines begrenzten Verständnisses der Funktionsweise des Agrarsystems wäre ich mit großen Veränderungen vorsichtig, weil sie wahrscheinlich eine Katastrophe auslösen würden. Ich würde mich über eine geringere Einmischung der Regierung freuen, das betone ich ganz klar. Ich möchte die Freiheit haben, mein eigenes Vieh zu schlachten, meine Lebensmittel zu verkaufen, ohne mich durch alle möglichen bürokratischen Hürden kämpfen zu müssen, und auf meinem Hof alles so bebauen zu können, wie ich es bebauen möchte. Damit meine ich vor allem die restriktiven Gesetze für den Bau von Gebäuden, insbesondere von Wohngebäuden.

Wir danken euch für eure Antworten. Die letzten Zeilen gehören euch. Was wollt ihr an dieser Stelle noch unbedingt loswerden?

Wir grüßen alle Gleichgesinnten! Wenn auch ihr versucht, so autark wie möglich zu leben und dabei die alten Methoden anwenden wollt, die heute genauso gut funktionieren wie seit Tausenden von Jahren, dann meldet euch bei uns und laßt uns in Kontakt bleiben. Wir können viel voneinander lernen.

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Die Kehre ist eine Zeitschrift, die die Ökologie aus einer grundsätzlichen Perspektive betrachtet. Jedes Jahr erscheinen vier Ausgaben, die mal mehr, mal weniger thematisch gebunden sind.

Autor: Max Schmid

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